Was veranlasst einen ehemaligen, mittlerweile 82-jährigen Lehrer immer wieder einmal seine alte Wirkungsstätte, das St.-Ursula-Gymnasium aufzusuchen? Für den Attendorner Rolf Busch ist es besonders das Bedürfnis etwas zu vermitteln, das in seinem Fachunterricht (Biologie, Chemie, evangelische Religion) nicht möglich war. So nahm er die Einladung der Geschichtslehrer Doris Kennemann und Christoph Schulte gern an, um in der Jgst. Q2 mit den sehr interessierten Jugendlichen über den „Staat, den es nicht mehr gibt“ ins Gespräch zu kommen.
Busch schilderte zunächst seine Kinder- und Jugendzeit in der DDR. Er wurde 1939 in Freiberg / Sachsen geboren und hatte durch sein Elternhaus und andere Einflüsse schon in der Schulzeit Schwierigkeiten mit dem DDR-System klarzukommen. Zwischen dem Abitur und dem Studium leistete er die obligatorische „Bewährung in der Produktion“ als Schichtarbeiter in einem Stahlwerk ab. In dieser Zeit nahm der Staatssicherheitsdienst (Stasi) Kontakt zu ihm auf, um ihn als informellen Mitarbeiter (IM) anzuwerben. „Da stand für mich fest, dass ich diesen Staat verlassen musste“, schildert Busch den Moment, als seine Entscheidung zur Flucht gefallen war. Am 31. August 1958, einen Tag vor Aufnahme seines Studiums, hat er unter dem Vorwand, Urlaub an der Ostsee zu machen zu wollen, nur mit einem kleinen Koffer und einigen unverdächtigen Utensilien die DDR über Westberlin verlassen. Dies bedeutete für den damals 19-jährigen eine Trennung von seiner Familie auf ungewisse Zeit, da ihm besonders nach dem Mauerbau 1961 bei Einreise die Stasi mit Zuchthausstrafe bis zu zehn Jahren drohte.
Im „Goldenen Westen“, wie die Bundesrepublik im DDR-Jargon genannt wurde, hatte Busch zunächst einen schwierigen Start. Sein Abiturzeugnis, dessen Negativ er eingenäht in einen Bademantel über die Grenze geschmuggelt hatte, wurde erst nach einem sechsmonatigen „Ergänzungslehrgang für SBZ-Abiturienten“ mit harten Prüfungen anerkannt. Doch so konnte er seinen Berufswunsch Lehrer endlich erfüllen, was ihm in der DDR mangels Parteizugehörigkeit verwehrt war.
Der Fall der Mauer im Jahr 1989 kommt Busch nach all seinen Erlebnissen noch immer wie ein Traum vor. „Heute ist vieles von dem, was die Menschen in Ost und West 40 Jahre lang bestimmt hat, bereits in Vergessenheit geraten bzw. der jungen Generation kaum bekannt.“, begründet Rolf Busch seinen kleinen, persönlichen Beitrag zur Erinnerung. Sein eindrücklicher und lebhafter Vortrag ließ für die sichtlich beeindruckten Jugendlichen ein Stück Zeitgeschichte lebendig werden.
Rolf Busch, Doris Kennemann