Auf Spurensuche

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Schwester Angela Becker und Prälat Roman Mensing freuten sich über das interessante Gespräch mit Natalie Hofmann und Jordi Klein.

Im Jahr 2017 werden die St.-Ursula-Schulen in Attendorn auf ihr 100-jähriges Bestehen zurückblicken. Als die Schüler des Leistungskurses Geschichte der Jg. Q2 am Gymnasium erfuhren, dass sie zur Aufarbeitung der Schulgeschichte für den Jubiläumsfestakt „auserkoren“ wurden, war es für sie eine Selbstverständlichkeit, zunächst das Gespräch mit Zeitzeugen zu suchen. Mit Schwester Angela Becker, einer ehemaligen Schülerin an St. Ursula und seit 1990 Oberin des Ursulinenkonvents, und Prälat Roman Mensing, von 1978 bis 1995 Schulleiter des St.-Ursula-Gymnasiums, waren auch schnell zwei geeignete Personen gefunden, die die wechselhafte Schulgeschichte miterlebt und mitgeprägt haben. Beide blicken im respektablen Alter von inzwischen 86 Jahren auf eine große Lebensleistung und -erfahrung zurück und können mit gutem Gewissen als „schulweise“ bezeichnet werden.

Eine Delegation, bestehend aus Natalie Hofmann, Jordi Klein und Kurslehrerin Doris Kennemann, machte sich mit einem gemeinsamen erarbeiteten, umfangreichen Fragenkatalog des Kurses auf den Weg zum Ursulinenkloster im Franziskaner-Hof. Nach der freundlichen Begrüßung durch die Schwestern und einer kurzen Führung durch die Kapelle begann schon bald eine muntere Plauderei. Es gab so viel Interessantes zu hören: Von der schwierigen Gründung der Schule und dem harten Ringen um die „Lizenz zum Prüfen“, von einer Spionin aus dem „Bund Deutscher Mädel“, der Schließung der Schule im Zweiten Weltkrieg und der Nutzung als Lazarett, von der ersten Abiturprüfung im Jahr 1961, von rebellischen Schülerinnen der 68er-Generation, von den ersten Jungs auf dem Heiligen Berg und so fort. Besonders beeindruckt zeigten sich Natalie und Jordi von Prälat Mensings detailliertem persönlichen Kalender, aus dem er noch heute das Datum jeder einzelnen Konferenz und die Abstimmungsergebnisse bei Entscheidungen entnehmen kann. Ganz nebenbei war übrigens auch die begleitende Kurslehrerin eine Zeitzeugin, da sie Erinnerungen an ihre eigene Schulzeit an St. Ursula zu „Mensings Zeiten“ beitrug. So wurde das Interview zu einer sehr herzlichen Begegnung zwischen (mindestens) drei Generationen.

Am St.-Ursula-Gymnasium begaben sich die jungen Historiker, verstärkt durch einige Mitglieder des Leistungskurses Deutsch, vertieft auf Spurensuche – im wahrsten Sinne des Wortes, denn sie stiegen in das im Keller befindliche Archiv hinab. Schon bald blätterten sie in alten Klassenbüchern aus den 50er Jahren, immer in der Hoffnung auf entlarvende Einträge. Beim Schnuppern in den ersten Abiturunterlagen von 1961 lernten sie, dass die Schülerinnen damals keineswegs ihre Prüfungsfächer frei wählen durften und manche sogar zugelost wurden – für manchen der angehenden Abiturienten eine wahre Horrorvorstellung. Auch eine Rückkehr zu der Vorschrift, einen handgeschriebenen Lebenslauf für die Zulassung zur Prüfung abgeben zu müssen, war sichtlich nicht erwünscht.

Insgesamt war die Spurensuche für die Schüler in unterschiedlicher Weise gewinnbringend: methodisch lernten sie etwas über Zeitzeugen-Interviews und Archivarbeit, inhaltlich über die Geschichte ihrer Schule, eingebettet in gesamtdeutsche Geschichte, und als bester Nebeneffekt wurde ihnen die ursulinische Tradition wieder einmal sozusagen „in persona“ ins Bewusstsein gerufen.

Doris Kennemann